54 Einzelgebiete.
Strom, nicht Teutschlands Grenze" (Arndt), ja in der Glanzzeit deutscher Herrlichkeit im
Mittelalter floß er, wie ein zeitgenössischer Geschichtschreiber sich ausdrückt, „mitten durch
Deutschland". Die Rheinlande waren im Mittelalter der Hauptsitz deutscher Kultur und
deutscher Kaiserherrlichkeit. Bei Mainz oder in Frankfurt wurden die Kaiser gewählt und zu
Aachen gekrönt; die Rheinstraße entlang zogen sie über den Splügen nach Italien, um sich
die römische Krone zu holen; in der alten Reichsstadt Speyer endlich fanden viele von ihnen
ihre letzte Ruhestätte. Den Rhein entlang (des Reiches Psaffengasse) saßen die mächtigsten
geistlichen Kurfürsten, die Erzbischöse von Mainz und Köln. In den rheinischen Städten
feierte das Rittertum seine glänzendsten Feste, dichtete Gottfried von Straßburg fein
glühendes Epos und sang Heinrich Frauenlob seine zarten Minnelieder. Längs der ver-
kehrsbelebten Rheinstraße erblühten mächtige Reichsstädte mit einem selbstbewußten,
gewerbe- und handelstätigen Bürgertum. Machtvoll trat der Rheinische Städtebund
dem ungerechten Treiben der Ritter und Fürsten entgegen. Herrliche Dome, stolze Fürsten-
schlösser und starke Waffenplätze entstanden; hier wurde die Buchdruckerkunst erfunden. Erst
durch den politischen Zerfall Deutschlands im 30 jährigen Krieg und die Raubzüge Lud-
wigs Xiv. ward der Rhein „Deutschlands Grenze", bis er mit der Wiederaufrichtung des
Deutschen Reichs 1871 aufs neue „Deutschlands Strom" wurde.
Tas Maingebiet (Franken) in der Geschichte. Den Main entlang bestanden jähr-
hundertelang große geistliche Herrschaften, die Bistümer Bamberg und Würzburg;
Bamberg hochverdient durch die Christianisierung flavischer Völkerschaften im O., Würz-
bürg berühmt durch die Pflege der Wissenschaften und der christlichen Charitas. Am Main
liegt auch Frankfurt, der alte Handelsmittelpunkt. — In dem verkehrsreichen Franken-
land mit seinen zum Burgenbau einladenden Felsenhöhen fand das Rittertum einen
nur zu günstigen Boden, und das gewalttätige Regiment desselben beförderte hauptfäch-
lich die Erhebung der Bauern i. I. -1525. Neben der hohen Geistlichkeit und dem Adel
tat sich auch das Bürgertum in den Reichsstädten Frankens rühmlich hervor, allen
Städten der Welt voran im Nürnberg des sechzehnten Jahrhunderts, wo Bischer, Dürer,
Kraft und Hans Sachs weithin Ruhm erlangten.
In den Zeiten schwacher Kaiserherrschaft hatten auch die Frankenlande alle Leiden
der politischen Verelendung Deutschlands zu tragen. Die Mainftraße entlang zogen im
30 jährigen Krieg die Heere Gustav Adolfs und zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Truppen
des korsischen Cäsars. Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts galt die „Main-
linie" sehr mit Unrecht als eine natürliche Scheidewand zwischen Nord- und Süd-
deutschend. Das Mainland ist indes weit mehr eine „Brücke" zur Verbindung von
Nord und Süd, und sein blühendes Berkehrsleben verdankt es vor allem diesem glück-
lichen Umstand.
Und welch glanzvolle fränkische Namen weist die Geschichte der deutschen Dichtkunst
auf! Franken ist die Heimat des gedankenreichsten Sängers der höfischen Poesie, Wolframs
von Eschenbach, und das Mainland schenkte uns Goethe. Im letzten Jahrhundert wurden
hier Friedrich Rückert, Graf Platen und Jean Paul geboren.
Schwaben in der Geschichte. Mit den Franken wetteifert in geschichtlicher Bedeutung
der wackere Stamm der Schwaben. Nicht weniger als vier große Herrscherhäuser hat er dem
deutschen Volk gegeben: die Staufer und die Welfen, die Hohenzollern und die Zäh-
ringer. Dem stark ausgeprägten Freiheitssinn des Stamms ist die Entstehung der
vielen freien Reichsstädte zuzuschreiben. Mit der Freiheitsliebe des Schwaben paart
sich seine altbewährte Tapferkeit, die Uhland in der Schwäbischen Kunde treffend zeichnet.
Die Schwaben galten als so wehrhaft und streitbar, daß sie die Vorfechter des Reichsheeres
bildeten und das Vorrecht genossen, immer das Reichsbanner in den Kampf zu tragen,
eine Ehre, die bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei Württemberg verblieben ist.
Mit diesen echt männlichen Zügen vereinigt das schwäbische Volk jene wundersame
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von_Eschenbach Goethe Friedrich_Rückert Friedrich Jean_Paul
Extrahierte Ortsnamen: Mainz Frankfurt Aachen Rheinstraße Italien Rhein Mainz Rheinstraße Deutschlands Rhein Main Bamberg Main Frankfurt Franken- Frankens Deutschlands Mainland Nord Mainland Schwaben Schwaben Schwaben Württemberg
Das Christentum und die Germanen.
23
Winnen. Man erzählte, er habe einst auf dem römischen Sklavenmarkt schöne germanische Knaben zum Verkauf ausgestellt gesehen; auf die Frage welchem Volke sie angehörten, antwortete man ihm, es seien Angeln; da sagte er: „Sie sollen Engel werden." Die Angelsachsen nahmen das Christentum mit großem Eifer an; bald zogen angelsächsische Missionare aus, um das Evangelium weiterzutragen. Willibrord predigte es den Friesen, welche von der Rheinmündung nach Osten wohnten und mit den Franken seit langer Zeit im Grenzkriege lebten.
Noch bedeutender aber wirkte Winfried oder, wie ihn der Papst Bonifattus. später nannte, Bonifatius. Er stammte aus einem edlen Geschlecht in Wessex. Früh war er in ein Kloster eingetreten. Als er die Priesterweihe empfangen hatte, ging er zu den Friesen, um dort zu predigen. Nachdem er darauf ein erstes Mal in Rom geweilt und sich vom Papst selbst die Vollmacht hatte geben lassen, den Deutschen das Christentum zu bringen, wirkte er besonders in Hessen und Thüringen. Als ein gewaltiger Prediger, der die Gemüter entflammte und mit sich fortriß, als starke Persönlichkeit, die furchtlos der Gefahr entgegenging, unbeirrt ihr Ziel verfolgte, zugleich Ehrfurcht gebot und Liebe weckte, wurde er zum Apostel der Deutschen.
Zu Geismar in Hessen fällte er eine dem Donar geweihte Eiche, ohne, wie die Heiden glaubten, von der Rache des Gottes ereilt zu werden. Ergründete Kirchen, stellte Geistliche an, baute Klöster, unter denen Fulda hervorragt. Vom Papste wurde er zum Erzbischof ernannt und erhielt seinen Sitz in Mainz; als solcher schuf er Bistümer, teilte ihnen ihre Sprengel zu und organisierte so, unterstützt von Pippin, die germanische Kirche. Er ist es auch gewesen, der die Bischöfe des Frankenreichs veranlaßte, sich zum Gehorsam gegen den Papst zu verpflichten; er hat dies für nötig erachtet, um zu verhindern, daß die fränkische Geistlichkeit von neuem in Verwilderung und weltliches Leben herabsänke.
In seinem Alter lebte wieder die Sehnsucht in ihm auf, den Friesen das Evangelium zu predigen. Im Friesenlande ist er von einer heidnischen 754. Schar überfallen und, da er jede Gegenwehr verbot, getötet worden; feine Leiche liegt in Fulda begraben.
§ 23. Deutsche Bistümer und Klöster. So nahm das Christentum auf germanischem Boden zu. Bistümer hatten bereits in vielen der Bummer, alten Römerstädte bestanden, z. B. in Köln, Mainz und Trier, in Straßburg und Augsburg. Dazu traten nunmehr die von Bonifatius gegründeten Bistümer, z. B. Würzburg, Regensburg. Salzburg.
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Deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919.
Der wesentlichste Einfluß war in der Hand Pippins, der sich „Herzog und Fürst der Franken" nannte.
Karl Ebenso gewaltig war die Stellung seines Sohnes Karl, den man ' später Martell, d. h. den Hammer nannte. In rastlosen Kämpfen warf er jeden Widerstand, der sich regte, nieder und sicherte so die Einheit des Frankenreichs. Noch größeren Ruhm hat er sich dadurch erworben, daß er den Einfall der mohammedanischen Araber abwehrte. Er schlug sie in Schlacht der großen Schlacht bei Poitiers, die man nach ihrer Bedeutung mit Pomers. der Schlacht auf den katalauuischen Gefilden zusammenstellen kann. 732‘ Hätten die Araber gesiegt, so wäre es mit dem Christentum im Abendlande und mit der germanischen Freiheit zu Ende gewesen.
Pivpin der Auf Karl Martell folgte sein machtvoller Sohn Pippin, den man Äur4£' auch den Kurzen nennt. Er entschloß sich, dem Königtum der Merowinger ein Ende zu machen; dem letzten merowingischen König Childerich Iii. ließ er die langen Locken, das Wahrzeichen seines Königtums, scheren, verwies ihn in ein Kloster und ließ sich selbst von der Heeresversammlung der Franken Königswahl zum König wählen. Dies geschah im Jahre 751; fränkische Bischöfe *751.*' krönten ihn. Einige Jahre später erhielt er von dem Papste selbst noch einmal die Salbung. Dieser war nach dem Frankenlande gekommen, um ihn um Beistand gegen die Langobarden zu bitten; darauf zog Pippin zweimal über die Alpen, besiegte die Langobarden und verlieh dem Papste ein Landgebiet, aus dem sich später der Kirchenstaat entwickelte.
Tas Christentum bei den Germanen.
§ 22. Die irische und angelsächsische Mission bei den Germanen.
In jenen Zeiten wurde das Evangelium auch den Germanen, welche an den Ufern des Rheins und weiter nach Osten wohnten, gepredigt. Die Geistlichen der fränkischen Kirche freilich haben sich um ihre Bekehrung nur geringe Verdienste erworben; sie waren meist zu weltlich gesinnt, als daß sie sich Irische dieser Aufgabe hätten widmen mögen. Mönche aus Irland, also Männer amffl0n' keltischen Stammes, waren es, die, allen Gefahren trotzend, in den Waldgebieten des oberen Rheins unter den Alamannen das Christentum predigten; vor allen Kolumbanus und sein Schüler Gallus, der Gründer des Klosters St. Gallen südlich des Bodensees, das später durch die Pflege der Wissenschaft und durch seine berühmte Klosterschule die größte Bedeutung für die Ausbreitung höherer Bildung in Deutschland gewonnen hat. Angel- Den irischen Missionaren folgten angelsächsische. Die Angelsachsen Mssion! waren bis zum Jahre 600 Heiden gewesen. Da sandte der Papst Gregor der Große Glaubensboten zu ihnen, um sie für das Christentum zu ge-
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Teutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919.
jtiüster. Besondere Bedeutung für die weitere Verbreitung des Christentums, überhaupt aber für die Erziehung der Germanen zu höherer Kultur gewannen die Klöster. Wie die ersten Einsiedler (Eremiten), so hat es auch die ersten Mönche in Ägypten gegeben. Im Abendlande gründete der heilige Benediktns im sechsten Jahrhundert ein Kloster auf dem Monte Cassino nördlich von Neapel; nach ihm trägt der Orden der Benediktiner seinen Namen. Die Mönche verpflichteten sich auf die drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams.
Nunmehr erwuchsen auch in Deutschland Männer- und Frauen-k löst er in großer Zahl. Jedes war eine kleine Stadt. Den Mittelpunkt bildete die Kirche; eine Mauer umschloß die Zellen der Klosterinsassen, den Speisesaal (Refektorium), die Bibliothek und die Klosterschule. Daneben stand die Wohnung des Abts oder der Äbtissin. Dann gab es Häuser für Kranke, für Gäste, für die unfreien Leute, z. B. die Klosterhandwerker. Viele Klöster haben lange einen segenspendenden Einfluß ausgeübt. Hier wurde Gott in einem stillen, der Andacht und der Demut geweihten Leben verehrt; hier wurden die Wissenschaften gepflegt, die Schriftsteller des Altertums abgeschrieben und so der Nachwelt aufbewahrt, hier die Jugend in den Wissenschaften unterrichtet; Mönche waren es damals, welche die Baukunst ausübten, die Handschriften mit Malereien (Miniaturen) ausschmückten, die heiligen Geräte für den Gottesdienst anfertigten; Mönche endlich wurden durch eifrige Pflege des Ackerbaus und der Gärtnerei, durch Anpflanzung von Wein und Obst, durch Rodung des Waldes und Austrocknung von Sümpfen die Erzieher der Germanen zu einer besseren Bodennutzung.
Karl der Grofzc. 768—814.
Die Gründung des Reiches.
Auf Pippin, den ersten fränkischen König aus dem Hause der Karolinger, folgte sein Sohn Karl, dem die Nachwelt den Beinamen der Große gegeben hat. Er herrschte anfangs gemeinsam mit seinem Bruder Karlmann; als dieser aber nach wenigen Jahren starb, machte er sich, ohne auf seines Bruders unmündige Söhne Rücksicht zu nehmen, zum Alleinherrscher. Er ist eine der mächtigsten und für alle Folgezeit bedeutsamsten Gestalten der deutschen Geschichte, gleich groß als Kriegsmann und als Regent, als Reichsgründer und als Förderer höherer Bildung.
barden^e § 24. Kriege mit beit Langobarden und Sachsen. Schon 772 773-774.'begann Karl einen Krieg gegen die Sachsen. Aber er wurde genötigt
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Extrahierte Personennamen: Karl_der_Grofzc Karl Pippin Karl Karl Karlmann Karlmann Karl
— 183 —
sandle sofort eine ansehnliche Summe an Schillers Gattin, wobei er freilich bemerkte, daß er sich aus eine bestimmte Erhöhung der Pension „alleweile" nicht einlassen könne.
Rückkehr: Obwohl Schiller und seiner Gemahlin die Tage
in Erfurt angenehm verflossen, suhlten sich beide doch nicht ganz wohl hier. Sie sehnten sich nach der eigenen Häuslichkeit und kürzten deshalb den noch auf längere Zeit berechneten Aufenthalt ab. — Ihre Abreise erfolgte am 1. Oktober. (Nach Albert Pick.)
64. Französische Emigranten in Erfurt.
Ihre Ankunft: Die französischen Ausgewanderten, die in
den Rheinstädten eine Zuflucht gefunden halten, flohen bei Au-nährnng der Franzosen weiter ins deutsche Land hinein. Dabei wählten viele Erfurt als neuen Wobnsitz, da man ihnen von befreundeter Seite die Stadt vorteilhaft geschildert hatte.
Seit Anfang 1795 kamen sie in großer Zahl hier an. Unter ihnen waren viele, die einst eine glänzende Rolle gespielt Hatten. Ehemalige Erzbischöse, Bischöfe, Aebte und dergleichen kamen zum Brühlertor hereingepilgert, und säst alle boten einen herzzerreißenden Anblick dar. Mit Bündelchen auf dem Rücken und mit zerrissenen und zerlumpten Kleidern hielten sie ihren Einzug. Einer von ihnen erzählte mit heilerer Miene, daß er nichts anderes gerettet habe als die Bibel, die er unter dem Arm trug. Tatsächlich hatten viele nicht einen roten Heller mehr in der Tasche; sie wußten nicht, wo sie einen Bissen Brot hernehmen, womit sie ihr Schlasgeld bezahlen sollten. Piele gingen barsuß, und dabei war es mitten im Winter. Sie erzählten auch, daß manche unterwegs liegen geblieben und erfroren wären.
Ihre Lebensweise: Mitte Februar waren, wie durch Be-
auftragte des Rates festgestellt wurde, schau über 1000 Vertriebene in der Stadt. Man räumte ihnen die Schottenkirche zum Gottesdienst ein. In ihr wurde von jetzt ab französisch gepredigt. Besonders ernst und streng begingen sie die heilige Woche. Viele speisten die ganze Zeit hindurch kein Fleisch. Alle Speisen, die sie genossen, mußten mit Cel geschmelzt sein, weil ihnen selbst die Butter verboten war. Auch erschienen viele in schwarzen Kleidern, die sie in den letzten Tagen gar nicht mehr ablegten.
Gezwungene Beschäftigung: Mancher von den Emigranten, der einst bessere Tage gesehen halte, war gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt durch Anfertigung kleiner Handarbeiten zu verdienen. So verkaufte bei der Feier der Peterkirmfe (Sonntag nach Ostern) auf dem Roßmcirkle (Herrmannsplatz) ein ehemaliger französischer Herzog Handkörbchen, Schächtelchen und Kästchen, die er selbst aus Pappe angefertigt hatte. Von seinem Stand aus rief er den Vorübergehenden sorlwäbrend zu: „Achetez des corbeilles
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Gegen 8 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Zwölf der geachletsten Ratsherren trugen den silbernen Sarg der beiden Heiligen auf ihren Schultern. Voran wehte die prächtige, goldene Ratsfahne mit den darauf gemalten Bildnissen der Märtyrer. Der schimmernde Sarg war von Weihrauchwolken umhüllt. Ihm folgten die sämtlichen Geistlichen in ihren prächtigen Gewändern, die übrigen Mitglieder des Rates, alle in Erfurt zur Zeit sich aufhaltenden fürstlichen Personen, Grafen und Ritter in ihren glänzenden Rüstungen und endlich die zahllose Menge der Bürger und frommen Wallfahrer. Alle Glocken läuteten, und die waffentra-genden Bürger begleiteten in ihren blanken Harnischen den Zug oder hatten in den durchzogenen Straßen Ausstellung genommen.
Im Jahre 1521 wurde die Prozession zum letzten Male abgehalten; das für Erfurt so merkwürdige und einträgliche Fest erreichte durch den Banernansruhr sein Ende. Der silberne Sarg wurde zur größeren Sicherheit auf das Rathaus geschafft, wo er eine Zeit verblieb. Später aber beschlossen die Väter der Stadt, der Ratskasse, die durch große Ausgaben völlig erschöpft war, neue Mittel dadurch zuzuführen, daß sie den Sarg zu Geld umprägen ließen. Die Geldstücke führten den Namen Sargpfennige. Die beiden Heiligen wurden einstweilen in einen hölzernen Sarg gelegt, den man nach dem Muster des silbernen gefertigt hatte. Noch heute kann man diesen Sarkophag mit seinen reichen Verzierungen sehen. (Nach Konstantin Beyer.)
37. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zustände Erfurts in der zweiten Baisse des fünfzehnten Jahrhunderts.
Krasser Aberglaube: Bei der Betrachtung der gesellschaft-
lichen wie wirtschaftlichen Verhältnisse am Ausgange des Mittelalters fällt uns der krasse Aberglaube auf, welcher allgemein bei hoch und niedrig, bei Ungebildeten und Gebildeten, ja selbst bei Gelehrten und Schriftstellern, in Laien- wie in geistlichen Kreisen herrschte. Dazu war eine schier unglaubliche Unwissenheit, besonders in geschichtlichen und geographischen Dingen verbreitet. Unser Chronist sagt: Mainz, Mognneia, liegt an zwei Flüssen, am Moygin und an der Ezya. Es war ihm unbekannt, daß seine Bischofsstadt also außer am Main am Rhein lag, und er erdachte sich in Anlehnung an den lateinischen Namen Mognneia den Fluß Ezya. — Selbst nicht einmal vor der biblischen und kirchlichen Ueberlieferung machten Aberglaube und Unwissenheit Halt. So wirb, um bafür ein Beispiel zu erzählen, die Geschichte des Verräters Jubas in der unglaublichsten Weise umgestaltet. Die Mutter des Jubas träumt, daß sie einem bösen und verworfenen Sohne, der „dem Teufel gleich wäre", das Leben geben Würbe. Das Kind wirb nach der Geburt von bett erschrockenen Eltern, die in Jerusalem wohnen,
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Iii. Bus der Geschichte Erfurts von 1§00 ad.
Stellung Erfurts zu Mainz und Sachsen und zum Reich: Um den Aufruhr der niederen Schichten der Bevölkerung, die durch die Straßensperre während der Streitigkeiten der Stadt mit Mainz und Sachsen (s. Nr. Ii) in große Not geraten waren, abzuwenden, hatte der Rat den Frieden von Amorbach und Weimar geschlossen (1483). In der Amorbacher Urkunde erkannte er das Mainzer Erzstist als den „rechten Erbherrn" an, dieses aber ließ Erfurt bei allen seinen Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Gnaden, Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten, die ziemlich bedeutende waren; denn außer der Erhebung des Marktzolls, der Freizinsen und eines geringen Anteils an der Gerichtsbarkeit standen dem Erzbischos keine weiteren Rechte mehr zu. Trotzdem war der Amorbacher Vertrag ein großer Sieg des Erzbischoss. Seine Anerkennung als „rechter Erbherr" der Stadt durch den Rat machte eine Entwicklung Erfurts zur völligen Unabhängigkeit von Mainz für die Zukunft unmöglich. Durch den Weimarer Vertrag aber, der Erfurt unter die Schutzherrschaft Sachsens brachte und ihm eine Steuer von fast unerschwinglicher Höhe auslegte, wurde geradezu eine Doppelherrschaft von Kurmainz und Kurfachfeu über die Stadt geschaffen und ein Zustand herbeigerührt, der in der Folge zu weiteren Kämpfen beider Gewalten um den Besitz Ersurts führen mußte. — Von 1417 bis 1471 war Erfurt als Reichsstadt angesehen worden, wie seine Ladungen zu den Reichstagen beweisen. Durch die Belehnung des Rates und der Bürgerschaft mit dem Reichslehen Kapellendorf (1352) war das Reich Erfurts „rechter Herr" und jene „des Reiches liebe Getreue" geworden; Erfurt hatte feit dieser Zeit den Königen die Lehenshuldigung geleistet, die zugleich die Hoheitshuldigung in sich schloß. Ta nun Kapellendorf auch nach 1483 der Stadt verblieb, fo war scheinbar nichts an der unmittelbaren Verbindung Erfurts mit dem Reiche geändert worden; aber wie schon oben gesagt, war es durch den Amorbacher Vertrag der Stadt unmöglich, sortan sich der anerkannten Macht des Erzstifts zu entziehen und in die Reihe der Reichsstädte einzutreten.
Geldnot Erfurts: Beide Verträge hatten über Erfurt eine
große Schuldenlast gebracht, die noch durch die in dieser Zeit eintretende allgemeine Geldentwertung bedeutend vergrößert wurde. Letztere hatten ihren Grund in der außerordentlich starken Ausbeutung der Edelmetalle im Harz und im sächsischen und ungarischen Erzgebirge und in dem Hereinfluten des überseeischen Gol-
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bett prächtigen, zweistöckigen (Srfer, der in feinem giebelcirtigen Abschluß fast benfelben Ansban wie der stattliche Türeingang zeigt. i Der 3vjährige Krieg: Wie aber schon gesagt, hielt bic
Besserung der Verhältnisse nicht an; durch den 30jährigen Krieg, in dem Erfurt furchtbar zu leiben hatte, würde fein Wohlstanb voliftänbig vernichtet (f. Das Erfurter Laub im 30jährigen Kriege, Nr. 47). Von den großen Heerführern biefer Zeit, sah die Stadt nur den Schwebenkönig Gustav Aböls, der am 22. September 1731 einritt (f. Nr. 48, 49, 50 u. 51). Er zeigte sich sehr hulbvoll und schenkte Erfurt viele Kloftergiiter; auch der Universität nahm er sich warmherzig an. Durch eine Verfügung vom 9. Oktober 1632 aus Nörblingen überließ er Erfurt alle weltlichen Rechte, die einst dem Erzbischof zugeftanben hatten, den Mainzer Hof, die fünf Kiichenbörfer, die beiben Stifter, 8 Klöster und enblich die noch dem katholischen Gottesbienste geweihten Pfarrkirchen. Er wollte die Stadt „für die dem evangelischen Wesen treu geleistete Assistenz" belohnen und zur Wieberaufrichtung der „fast gar zerfallenen uralten Akabemie" beitragen, zu bereu Förberung er schon im Jahre vorher der Stadt das Negier Kloster überwiesen hatte. Der Oberhoheit behielt der König sich freilich „in alleweg" vor. Doch schon der Prager Friebe 1635 brachte eine Aenberung der Erfurt so günstigen Verhältnisse. Der Kurfürst und die Klöster traten nach dem Abzüge der Schweden wieber in ihren alten Be-sitzsianb ein, ebenso würden die beiben Stiftskirchen von den
Evangelischen geräumt. Die Universität, welche auch die ihr zugelegten Kloftergiiter wieber verlor, sank in den alten traurigen
Zustanb zurück; benn der Rat war nicht imstanbe, ihr den Verlust aus eigenen Mitteln zu becken. Zwar kehrten die Schweden
unter Bauer schon im folgenben Jahre in die Stadt zurück, nachdem sie biefetbe am 19. Dezember heftig beschossen hatten (f. Nr. 52); aber sie kümmerten sich nicht um ihre Verwaltung. Der Rat konnte nach eigenem Ermessen schalten und walten, und auch dem Kurfürsten von Mainz, feinen Beamten und der katholischen Geistlichkeit sicherten die Schweden die Erhaltung ihrer Güter und Rechte zu. Die ihnen gänzlich überlassene Eyriaksburg würde ebenso wie die Stadt aufs neue befestigt. Den hohen und starken Turm am Brühler Tor ließen die Schweden nieberreißen, auch legten sie den Wall weiter zurück, um die Burg mehr von der Stadt zu entfernen und biefe ihr unterzuorbnen. — Währenb der noch übrigen Dauer des Krieges finb die Schweden in Erfurt geblieben. Der letzte Teil der fchwebifchen Besatzung hat sogar erst 2 Jahre nach dem Friebensschlnß die Stadt verlassen, die nun auch baran beulen konnten, das Friebensfest zu feiern, herzlich froh, daß die schreckliche Kriegszeit enblich vorüber war (f. Nr. 53, 54, 55).
Innerhalb des balb 20jährigen Aufenthaltes der Schweden, in welcher Zeit die Stadt boliftänbig frei von Mainz gewesen,
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lichen Fürsten das Recht, sich für die an Frankreich verlorenen Gebiete durch Besitznahme geistlicher Landgebiete auf dem rechten Rheinufer und innerhalb Deutschlands zu entschädigen. Für Preußen wurden diese Entschädigungen in einem Vertrage vom 23. Mai 1802 genauer festgesetzt. Es erhielt für einen Verlust von 48 Quadrat-meilen mit 140 000 Einwohnern einen Gewinn von 220 Quadrat-meilen mit 520 000 Einwohnern, darunter das Mainzer Eichsfeld und das Erfurter Land. Durch einen Erlaß vom 6. Juni 1802 erklärte König Friedrich Wilhelm Iii. diese Gebiete für seinen Besitz. Ju Erfurt hatte man hiervon noch nichts Bestimmtes gehört, als am 5. August für das hier in Quartier stehende Kaiserliche Bataillon der Befehl zum Abmarsch eintraf. Er erfolgte vom 12. bis 17. August. Wenige Tage darauf wurde allen Ortschaften des Kreises und der Stadt ein Schreiben der Kurfürstlichen Regierung bekannt gegeben, welches das Einrücken der preußischen Truppen als bevorstehend mitteilte. Tatsächlich war in der Nacht vom 20. zum 21. das preußische Besatzungskorps, bestehend aus einem Bataillon Dragoner und 3 Bataillonen Infanterie, zusammen 3500 Mann, unter den Generalleutnants von Voß und v. Wartensleben in das Erfurter Land eingerückt und stand in Ilversgehofen. Nachdem am 21. August in der Frühe ein Offizier in die Stadt gekommen war und der versammelten Regierung die Besitznahme angezeigt hatte, rückten um 9 Uhr die preußischen Truppen durch das Krämpsertor in die Stadt ein. Am Tor wurden sie von einer Abordnung des Stadtrates empfangen. Dann marschierten sie nach dem Platz vor den Graden, wo die vom Petersberg kommende kurmainzische Besatzung dem neuen
Landesherrn Treue schwur und unter die preußischen Soldaten
verteilt wurde. Tore und Zitadellen waren inzwischen besetzt worden. Nunmehr wurde auf der Statthaltern, dem Rathaus,
und an allen Toren der preußische Adler entfaltet und die Besitz-nahme-Urkunde angeschlagen. Die Infanterie quartierte man bei den Bürgern ein, die Dragoner aber kamen auf die Dörfer. — Durch den Reichs-Depntations-Hauptschluß in Regensburg vom 25. Februar 1803 wurde die Einverleibung endgültig anerkannt, und die kaiserliche Bestätigung erfolgte bierzu am 27. April 1803. Nunmehr entschloß sich auch der König, das neuerworbene Land persönlich auszusuchen. Am 30. Mai 1803 traf er mit seiner Gemahlin in Erfurt ein und stieg in der ehemaligen Statthaltern ab (f. Nr. 65). Durch die wiederholten Besuche des Königs-Paares, vor allem aber durch das leutselige Wesen desselben
söhnten sich die Erfurter mit der neuen preußischen Verwaltung aus, die ihnen infolge der knappen, soldatischen Art anfangs nicht behagt hatte.
Erfurt unter französischer Herrschaft: Aber schon 1806
endete die neue Herrschaft Preußens über Erfurt. Drei Tage nach der Schlacht bei Jena (14. 10. 1806) ergab sich die Stadt schimpf-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm August August August
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tu na Sachsen, eine von den 8 Provinzen,1) in die der preußische Staat durch die neue Verwaltungseinrichtung geteilt wurde. Jede der Provinzen, an deren Spitze ein Ober-Präsident gestellt wurde, zerfiel in zwei oder mehr Regierungsbezirke. Die Regierungen dieser Bezirke teilte man wieder in zwei Abteilungen, in die des Innern und die der Finanzen; doch wurden beide einem Regierungs-Präsidenten unterstellt. Die Regierungen der Provinz Sachsen wurden in Magdeburg, Merseburg und „in Thüringen zu Erfurt" errichtet. Magdeburg wurde zugleich der Sitz des Ober-Präsidenten. Die Regierung zu Erfurt trat am 3. April 1816 in Tätigkeit und verkündete in Nr. 2 des Amtsblattes vom 5. April 1816, daß der Regierungsbezirk in neun Kreise geteilt sei, darunter der Stadtkreis Erfurt mit 14 500 und der Landkreis mit 12 588 Einwohnern. Außer „Stadt und Gebiet Erfurt mit dessen Tependenzen" (Zubehör) umfaßte der Regierungsbezirk noch die „Hennebergischen Aemter Schlenfingen, Suhl, Kühndorf und Bens-haufeu, die Thüringischen Aemter Weißensee und Langensalza nebst den von dem Kreisami Tennstedt verwalteten Ortschaften, das Eichsfeld mit seinen Dependenzen, die Grafschaft Hohenstein und die Städte Nordhausen und Mühlhausen mit ihren Gliedern." Ein Teil des alten Erfurter Gebietes, nämlich die Grafschaft Blankenhain, außer dem Amt Wandersleben, welches preußisch und bei Erfurt blieb, und die Aemter Schloß-Vippach, Azmannsdorf und Tonndorf wurden an Sachsen-Weimar abgegeben, von dem Ringleben gegen Nöda eingetauscht wurde. Anderer alterfur-tifcher Besitz, Sömmerda, Röhrborn und Schallenburg sowie Groß-vargula, blieb wohl preußisch, wurde aber bei der Besitzregelung anderen Kreisen des Regierungsbezirkes Erfurt zugeteilt. Die ersten drei Orte erhielt der Kreis Weißensee, Großvargnla aber kam zu Langensalza?)
Wie schon oben erwähnt, waren anfangs Land- und Stadtkreis voneinander getrennt und wurden auch getrennt verwaltet. Später aber wurde eine Personal-Union für zweckmäßiger gehalten, wonach der Landrat zugleich Oberbürgermeister der Stadt sein sollte; nur die Geschäftsführung blieb getrennt (1818). Doch diese Aenderung war nicht von Bestand. 1831 wurde die Personal-Union ansgehoben, und Ersurt hatte einen besonderen Oberbürgermeister zu wählen. Es geschah dies zum ersten Male 1833. Stadt und Land bildeten nun bis zum Jahre 1872 einen gemeinschaftlichen Kreis. Am 1. Januar 1872 schied die Stadt aber wieder aus dem bisherigen Kreisverband aus und bildete mit dem Königlichen Steigerforste, den Stadtkreis Erfurt. Seit dieser Zeit besteht
') Ost- und Westvreußen damals nur eine Provinz. — Zuerst hatte man den Staat sogar in 10 Provinzen geteilt.
2) Die kirchliche Einrichtung ist heute noch die alte: Sömmerda und Var-gula gehören zur Diözese (geistlicher Amtsbezirk) Erfurt.
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier]]